Vorwort zu Band 6, Teil 1 B

Der vorliegende Band enthält den von Arnold Schönberg im Herbst 1909 angefertigten eigenhändigen Klavierauszug des Monodrams Erwartung. Mit dem Bühnenwerk hatte der Komponist im Spätsommer des Jahres 1909 begonnen und die Erste Niederschrift (als Particell) am 12. September 1909, die Partiturreinschrift am 4. Oktober 1909 beendet. Vom Klavierauszug sind zwei autographe Quellen überliefert: eine Niederschrift sowie eine Reinschrift. Nur die Niederschrift ist datiert, sie trägt das Schlußdatum 22. Oktober 1909. Wann Schönberg an der Reinschrift des Klavierauszugs arbeitete, läßt sich nicht zweifelsfrei feststellen. Da er jedoch schon seit Ende 1909 mit Artur Bodanzky die für das Frühjahr 1910 geplante Uraufführung in Mannheim vorbereitete – sie kam dann nicht zustande und fand erst 1924 in Prag statt –, außerdem um die Jahreswende 1909/1910 bei dem Verlag Dreililien und dann bei der Universal-Edition auf eine Drucklegung des Klavierauszugs drängte, muß die Reinschrift noch vor Ablauf des Jahres 1909 zum Abschluß gebracht worden sein. Mit dem Scheitern des Uraufführungsplanes wurde allerdings auch die Drucklegung vorerst hinfällig. In den folgenden Jahren bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs blieb der Klavierauszug gleichwohl von großer Bedeutung, denn alle Versuche Schönbergs, dem Werk doch noch zur Uraufführung zu verhelfen, waren mit der Zusendung von Textbuch und Klavierauszug an mögliche Interessenten verbunden. Ein gedruckter Klavierauszug des Werks erschien schließlich im Januar 1923 – und damit annähernd sechs Jahre später als die Partitur – bei der Universal-Edition. Für ihn war jedoch nicht mehr auf Schönbergs Fassung zurückgegriffen worden. Publiziert wurde statt dessen eine deutlich leichtere von Eduard Steuermann erstellte Version. Schönbergs Reinschrift seines eigenen Klavierauszugs galt dann lange als verschollen. Sie tauchte erst 1995 in Privatbesitz wieder auf, wurde 1998 durch das Auktionshaus Sotheby’s in London versteigert und befindet sich nun erneut in Privatbesitz.

Der Abdruck des Klavierauszugs im vorliegenden Band erfolgt nach den Prinzipien der sogenannten Inhaltsedition auf Grundlage der Reinschrift. Über die vorn Herausgeber vorgenommenen Vereinheitlichungen, Ergänzungen, Korrekturen von offenkundigen Fehlern sowie über die von der Klavierauszugsniederschrift und der Partitur abweichenden Lesarten geben verschiedene Listen Auskunft, die dem Band 6, 2 der Reihe B beigegeben sind. Auch die Beschreibung der Quellen und nähere Angaben zur Werkgeschichte befinden sich in diesem Band.

Zu danken ist abschließend Wolfgang G. P. Heinsch für die Ermöglichung der Einsichtnahme in Schönbergs Autograph und die Überlassung von Kopien sowie James Dack für die Klärung etlicher Fragen am Manuskript.

Berlin, im Dezember 2001
Ullrich Scheideler