Vorwort zu Band 8, Teil 2 B

Mit dem vorliegenden Band wird der vierteilige Komplex der Gesamtausgabe zu Schönbergs fragmentarischem Hauptwerk Moses und Aron abgeschlossen. Nach den beiden Notenbänden der Reihe A war der 1. Teil der Reihe B den musikalischen Quellen und Skizzen gewidmet. Gegenstand des vorliegenden 2. Teils der Reihe B ist nun das Textbuch in all seinen Facetten; die noch 1979 im Vorwort des 1. Teils erwähnten Hindernisse zu seiner wissenschaftlichen Bearbeitung sind weitgehend, wenn auch nicht vollständig beseitigt.

Die Quellen zum Text dokumentieren durch ihre Zahl und durch ihre Unterschiedlichkeit die immense Mühe, der sich Schönberg auf dem Weg zu einer zufriedenstellenden Lösung zunächst des Gattungsproblems, sodann der konkreten Formulierung des Librettos sowie der dazugehörigen Regie- und Vortragsanweisungen unterzogen hat. Angedacht war das Werk bis 1926 als Kantate, 1928 wurde der Text als Oratorium in drei Teilen fertiggestellt; erst im unmittelbaren Zusammenhang mit der Komposition 1930 entschloß sich Schönberg, ein Bühnenwerk, eine Oper zu schreiben. All dies kann anhand der Textquellen und zusätzlicher Dokumente besonders klar dokumentiert werden (siehe I. Zur Entstehungsgeschichte).

Ein großer Teil des vorliegenden Bandes bietet die zahllosen Einzelentwürfe zum Text der Oper, die zweifellos in direktem Konnex mit der musikalischen Komposition entstanden sind. Die Art ihres Abdrucks, die Anordnung und die Form der Präsentation, verfolgt nicht die Absicht, den verschlungenen und chronologisch zuweilen kaum überschaubaren Gedankengang bei der immer wieder überdachten Formulierung des Textes zu entschlüsseln. Das Material soll vielmehr in eine Ordnung gebracht werden, die durch die Zusammenstellung der inhaltlich zusammengehörigen Einheiten eine Grundlage für die weitere interpretative Beschäftigung mit dem gedanklichen Inhalt des Werkes schafft.

Besonders aufschlußreich und bislang der Öffentlichkeit noch nicht zugänglich sind die vielfältigen Dokumente zum Text des III. Aktes, an dem Schönberg – bis 1935 – immer wieder gearbeitet hat, ohne zu einem definitiven Resultat zu gelangen. Abgerundet wird der Band durch den Revisionsbericht zu dem in den Notenbänden vorgelegten Text.

Die Arbeit an den Moses und Aron gewidmeten Bänden hat den Herausgeber seit mehr als 20 Jahren beschäftigt, und dabei ist ihm vielfältige Hilfe zuteil geworden. Genannt seien hier aber nur die Mitarbeiter der beiden Institutionen, denen er – zumal was den vorliegenden Band angeht – zu besonderem Dank verpflichtet ist: die des vormaligen Arnold Schoenberg Institute, Los Angeles, vorab R. Wayne Shoaf, sowie die der Berliner Forschungsstelle der Gesamtausgabe aus mehreren Generationen, und hier namentlich Camilla Ueberschaer, die bereits in den siebziger Jahren den zuweilen mühsamen Versuch unternommen hat, die Textentwürfe zu Moses und Aron zu entziffern.

Berlin, im Mai 1998
Christian Martin Schmidt